Einleitung
Aufgrund des Klimawandels gewinnt bei Neubauten und sanierten Gebäuden der sommerliche Wärmeschutz immer mehr an Bedeutung. Gebäude müssen generell die Anforderungen nach DIN 4108-2 erfüllen. Die Norm erlaubt für den Nachweis zwei Berechnungsmethoden:
1. Sonneneintragskennwerteverfahren
2. Dynamisch thermische Gebäudesimulation
Im ersten Fall handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren, bei dem eine analytisch-tabellarische Methode verwendet wird, um den Sonneneintragswert zu berechnen, der unterhalb des maximal zulässigen Wertes liegen muss. Diese vereinfachte Methode ist eine konservative Abschätzung des sommerlichen Wärmeintrages und berechnet in der Regel höhere solare Wärmeeinträge als die, die in der Realität vorliegen. Dies führt in vielen Fällen zur Überdimensionierung der Maßnahmen.
Daher erlaubt die Norm zum Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes auch die dynamisch thermische Gebäudesimulation, bei der Randbedingungen vorgegeben werden, die die realen Bedingungen deutlich besser abbilden. Diese Methode ist immer anzuwenden, wenn der Einsatz des vereinfachten Verfahrens gemäß DIN 4108-2 ausgeschlossen ist (Doppelfassaden oder transparente Wärmedämmsysteme). Insbesondere bietet sie sich auch an, wenn aufgrund der genaueren und weniger konservativen Berechnung hohe Investitionskosten für Kühlmaßnahmen, vermieden werden sollen.
Für den Neubau ZMSZ + CRIS der Universität zu Lübeck‚ siehe Abb. 1, bei dem die GMSH die Bauverantwortung trägt, wurde im ersten Schritt der Nachweis des sommerlichen Wärmeschutzes nach dem vereinfachtem Sonneneintragskennwerte-verfahren durchgeführt. Daraus wurde ersichtlich, dass 45 Büroräume die erlaubten Grenzen nur dann nicht überschreiten, wenn eine hohe Nachtlüftung angesetzt werden kann. Letzteres setzt aber die Möglichkeit zur geschossübergreifenden, nächtlichen Fensterlüftung voraus, was nicht zu realisieren gewesen wäre.
Mit der dynamisch thermischen Gebäudesimulation wurde alternativ untersucht, ob durch diese genauere Betrachtung auf sonst erforderliche, zusätzliche Maßnahmen zur Kühlung verzichtet werden kann.
Abbildung 1: Neubau ZMSZ+CRIS der Universität Lübeck (Bildquelle: GM.SH, Grawunder Design)
Auswahl der Klimazonen
Die DIN 4108-2 schreibt je nach dem Ort, an dem das Gebäude steht, die Auswahl einer bestimmten Klimazone vor.
Abbildung 2: Sommerklimaregionen (Auszug aus DIN 4108-2:2013-02)
In diesem Fall war die Region A zu wählen. Damit ist die maximale operative Innentemperatur von 25 °C vorgegeben, auf die sich die Übertemperaturgradstunden beziehen, die bei Nichtwohngebäuden 500 Kh/a nicht überschreiten dürfen. Es ist zu beachten, dass das Erreichen der Normwerte nicht notwendigerweise die Komfortansprüche der Personen, die sich in den Räumen aufhalten, garantieren. Mit Hilfe der Gebäudesimulation können aber auch diese Vorgaben geprüft und bewertet werden.
Analyse der Büroräume
Es wurde ein detailliertes dreidimensionales Gebäudemodell erstellt. Die Wand-, Decken-, Boden- und Dachaufbauten wurden entsprechend den Angaben in den Plänen und Unterlagen für die zu untersuchenden Bereiche modelliert. Dabei wurden teilweise Vereinfachungen vorgenommen, die nur geringen Einfluss auf das Ergebnis haben.
Die Verschattung durch die umliegenden Gebäude wurde berücksichtigt, eine Verschattung durch Bäume und Pflanzen jedoch nicht, da deren Position zum Zeitpunkt der Simulation noch nicht bekannt waren.
Mit der dynamisch thermischen Gebäudesimulation konnte nachgewiesen werden, dass lediglich fünf Räume den zulässigen Grenzwert des sommerlichen Wärmeschutzes überschritten, und dass diese Räume mit verbesserten Verschattungsmaßnahmen im Rahmen des Zulässigen gehalten werden können. Der Einbau von kostspieligen Klimaanlagen konnte damit vermieden werden. Abbildung 3 links zeigt an einer Fassade die Übertemperaturgradstunden der CRIS-Büros ohne zusätzliche Verschattungsmaßnahmen. Die roten Räume konnten aber mit einem einfachen, innenliegenden Sonnenschutz unterhalb des zulässigen Maximalwertes gebracht werden (rechts).
Abbildung 3: Übertemperaturgradstunden CRIS-Büros ohne (links) und mit innenliegendem Sonnenschutz in den Eckräumen (rechts). Die roten Räume überschreiten den zulässigen Maximalwert von 500 Kh/a.
Analyse der Atrien
Atrien erstrecken sich in der Regel über mehrere Stockwerke und eine geschossübergreifende hohe Nachtlüftung nach DIN 4108-2 wäre somit in diesem Fall nach Norm ansetzbar, wenn die entsprechenden Zu- und Abströmöffnungen vorhanden wären. Aktuell waren aber keine speziellen Öffnungen für eine Nachtlüftung im EG oder den unteren Obergeschossen vorgesehen. Daher wurde zunächst untersucht, ob der sommerliche Wärmeschutz auch ohne Nachtlüftung erfüllt werden konnte.
Die Berücksichtigung der umliegenden kühleren Flure, siehe Abbildung 4, die zu einer zusätzlichen Wärmeabfuhr sorgen, führte dazu, dass der sommerliche Wärmeschutz nach DIN 4108-2 auch ohne Nachtlüftung im kritischeren bzw. wärmeren, oberen Teil des Atriums noch erfüllt wird. D.h. auch in diesem Fall konnte mit Hilfe der Gebäudesimulation der Nachweis erbracht werden, dass eine erhöhte Nachtlüftung nicht notwendig ist.
Abbildung 4: Atrium ZMSZ mit Darstellung der Übertemperaturgradstunden in Kh/a. Die Abbildungen zeigen Schnitte in Längsrichtung (links) und Querrichtung (rechts). Im warmen, oberen Bereich des Atriums (4. OG) wird mit 477 Kh/a der zulässige Wert von 500 Kh/a nicht überschritten.
Zusammenfassung
Maßnahmen zum sommerlichen Sonnenschutz werden nicht zuletzt wegen des Einflusses des Klimawandels in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen. Das trifft auch generell auf alle gut gedämmten Gebäude zu, weil die Wärme aufgrund der inneren Lasten und Sonneneinstrahlung nicht mehr durch reine Wärmeleitung durch die Fassade abgeführt werden kann. Mit Hilfe der Gebäudesimulation können die Energieflüsse deutlich genauer ermittelt werden als mit dem einfachen Sonneneintragskennwertverfahren. Daher empfiehlt sich die Simulation immer dann, wenn teure Investitionen für Kühlmaßnahmen zur Diskussion stehen. Das Gebäude der Universität Lübeck ist typisch für ein öffentliches Gebäude, weil es über einen großen Anteil an Fenstern und zudem über ein Atrium verfügt. In solchen Fällen hilft die Simulation nicht nur den Pflichtnachweis gemäß DIN 4108-2 zu erbringen, sondern auch die Komfortanforderungen der Nutzer zu erfüllen.